Beitragsbild: Vlad Sargu via Unsplash

Einfach mal was zurückgeben

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Seit Juni 2019 verbringt Nadine freiwillig Zeit mit einem Großvater, der nicht ihr eigener ist. Sie engagiert sich ehrenamtlich bei den Vereinigten Hospitien in Trier. Ein kleiner Einblick in ihre Erfahrungen und andere Möglichkeiten, selbst ehrenamtlich tätig zu werden.

Nadine und Maria – Zwei Studentinnen mit zwei Erfahrungen, trotz der gleichen Absicht: Zeit mit Großmüttern und Großvätern zu verbringen. Nicht mit den eigenen, sondern mit denen, die ihre Familie selten, vielleicht sogar gar nicht mehr besucht. 

Das Projekt, das Maria durch Nadine zu den Vereinigten Hospitien bringt, heißt Telefonbrücke. Das Konzept klingt simpel: Junge Student*innen werden mit Bewohner*innen “gematched” und sollen in Zeiten von Kontakt- und Besuchsbeschränkungen telefonischen Kontakt pflegen. Sich regelmäßig austauschen, zuhören, ein gutes Gefühl geben und vielleicht irgendwann persönlich treffen können. Bisher kennen sie sich nicht.

Nach einigen Wochen strikter Besuchsverbote im Frühling 2020 durften die Türen der Vereinigten Hospitien unter strengen Auflagen, wie der Einlasskontrolle mit Datenerfassung, zumindest für die Angehörigen der Bewohner*innen eine zeitlang wieder öffnen.

Die Telefonbrücke selbst erzielte nicht den größten Erfolg. Gründe dafür lassen sich spekulieren, aber nicht zuverlässig festhalten: Zu fremd sei den Bewohner*innen ein Medium, bei dem sie ihr gegenüber nicht sehen können. Wenn sie kein Bild des anderen Menschen haben, ist es ihnen nicht geheuer. Marias Match dachte, ihre Aufgabe sei die Bespaßung der Studentin. Sie wollte ihre Teilnahme am Projekt nicht weiterführen und brach ab. Dennoch sieht Nadine die Erfahrung des Projekts positiv: “Jemand, der die Telefonbrücke nicht nutzt, vereinsamt nicht.” 

“Jemand, der die Telefonbrücke nicht nutzt, vereinsamt nicht.” 

Seitens der Student*innen gab es einen großen Andrang. “Etwas Gutes tun” – ein Ideal und Wert unserer Bestrebungen. In Krisenzeiten sind Projekte wie dieses ein Wundermittel mit fast schon therapeutischer Wirkung. 

Geht man nach Klischees, so verbrachten Student*innen vor Corona eine handvoll Minuten im Monat zwischen dem straffen Zeitplan aus Instagram-Stories anschauen, Nudeln kochen und Slacklinen im Palastgarten mit der Generation der eigenen Großeltern. Wächst (gezwungenermaßen) mit dem Bewusstsein eingeschränkter Möglichkeiten auch das Bedürfnis, durch sinnstiftende Tätigkeiten Erfüllung zu finden, so wächst die Bereitschaft für ehrenamtliche Arbeit. 

Nadines Bereitschaft ist beständig seit ihrem Praktikum 2019 in der gerontologischen Beratungsstelle der Vereinigten Hospitien im Rahmen ihres Studiums. Vier Wochen lang lernt sie die Einrichtung kennen, fühlt sich im Austausch mit den Bewohner*innen nach kurzer Zeit wohl. Sie entscheidet, sich auch nach dieser Zeit weiterhin zu Besuch zu kommen. Nicht mehr für alle Bewohner*innen, sondern für einen Bewohner: ihre Betreuungsperson. 

Wer von den beiden wen betreut ist unklar, wenn der Mittachtziger die Dreißigjährige beim Sprint zum Bus abzieht. Nadine schätzt das Vertrauen, Einblick in seine biografische Aufarbeitung zu erhalten in Gesprächen über die Jugend und Kindheit. Sie schauen alte Bilder und Stammbäume an, lassen längst vergangene Ereignisse Revue passieren. Eine andere Art des Geschichtsunterrichts: ohne Schulbücher, dafür mit seinen ganz persönlichen Erfahrungen.

Nadine entwickelt neue Gedanken über ihr eigenes Leben, über das Altwerden. Und eine Zufriedenheit mit dem, was sie hat und an Menschlichkeit (zurück)geben kann. Was sie zurückbekommt ist Dankbarkeit und Liebe. Nicht nur von den Bewohner*innen, sondern auch vom Personal und Pfleger*innen, die nur begrenzte Zeit aufbringen können. Die Kapazitäten sind ausgeschöpft.

Ihre Betreuungsperson hat Probleme mit dem Gedächtnis. Hirnleistungen sind eingeschränkt und das Erinnerungsvermögen nicht mehr “so wie früher”.

Dinge, die erst kurzfristig gelernt wurden, sind schnell wieder vergessen.



“Warte, warte, ich hab’ noch was für dich.”

“Warte, warte, ich hab’ noch was für dich.” Bei einem ihrer Besuche ruft er Nadine über den Flur hinweg zurück und überreicht ihr etwas. “Ich habe mir gemerkt, dass du nur Bananen essen darfst.” Er hat eine diabetische Erkrankung, sie ist fruktoseintolerant. 

Jeder hat einmal die Woche eine Stunde Zeit und weniger sinnlos am Handy herumscrollen, um etwas Gutes zu tun“, findet Nadine.

Vielen Dank für die Einblicke in deine persönlichen Erfahrungen! 


Hast du etwas Zeit und möchtest sie nutzen, um nicht nur etwas Gutes für Andere, sondern auch für dein eigenes Befinden zu tun?*

Über Möglichkeiten ehrenamtlicher Tätigkeiten in Trier kannst du dich hier informieren: 


  • Studenten bilden Schüler – Ein Verein, der Student*innen und Schüler*innen sozial und finanziell schwacher Familien miteinander in Kontakt bringt, um den Schüler*innen kostenfreie Nachhilfe zu bieten.

    Sophia Hon, Standortleitung SBS Trier: “Gerade haben wir 25 aktive Nachhilfepaare und wir haben ein neues Projekt: das digitale nachhilfecafé (in Kooperation mit der Diakonie) – dort können Schüler:innen jeden Mittwoch von 17-19 Uhr ohne Anmeldung vorbeikommen und werden betreut.” Außerdem wird es eine Weihnachtsbuchaktion geben, bei der jedes Kind ein Buch zu Weihnachten geschenkt bekommt.

*Hinweise dazu, wie die einzelnen Anlaufstellen mit den Covid-19-Entwicklungen umgehen, sind auf den jeweiligen Seiten zu erfahren bzw. erfragen

Beitragsbild: Vlad Sargu via Unsplash

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