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Die Bitch muss bügeln, muss sein

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„Die Bitch muss bügeln, muss sein. Wenn nicht, gibt´s Prügel, muss sein.“  

Kurdo und Majoe

Solche und ähnliche Zeilen laufen mir während der Recherchen ständig über den Weg. Ich fühle mich dabei alles andere als wohl. 

Es ist immer wieder dasselbe. Rapper, die in ihren Songs antiquierte Geschlechterrollen propagieren. Rapper, die Frauen als bloße Sexobjekte darstellen. Dass dies als Kunst verkauft und gefeiert wird, erschreckt mich. 

Es sind nicht nur die expliziten Hassäußerungen der bösen “Gangsta-rapper”. Es sind die vielen Charts dominierenden Musiker, deren Songs in deutschen Clubs in Dauerschleife laufen.

So singt Bausa: „Sag der zugekoksten Bitch ich will mein´ Blow“. Die Zeile: „Machen wir Liebe, Babe, im Bett, dann schreist du: „Arreté!“ stammt von RIN. Auch die vorerst harmlos erscheinende Line: „Hinter mir sitzt eine Bitch like Barbie“ (Apache 207) reduziert die Frau auf Äußerlichkeiten und objektiviert sie im wörtlichen Sinne.  

Ich frage mich, wieso diese offensichtliche Degradierung von Frauen so geduldet und teilweise zelebriert wird.

Sexismus – „die Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die (daher für gerechtfertigt gehaltene) Diskriminierung (…) von Menschen.“ 

Duden

Meiner Meinung nach eine treffende Überschrift für Zeilen wie „Ich nehm grad deiner Tochter ihre Jungfräulichkeit / Sie macht nur solang Aerobic in Trainingshallen / bis ich die Bitch im Rotlicht zum Pflegefall fick“ (Kollegah). Unterschiedliche Texte, die immer wieder das gleiche beinhalten – wehrlose Frauen, mit denen scheinbar alles gemacht werden kann und die am besten noch geil aussehen.

Wieso gehören diese misogynen Zeilen zu Deutschrap dazu? Woher kommt diese Duldung einer so offensichtlichen Diskriminierung?

Hip-Hop entstand um 1970 in der Bronx. Rap diente als ein Sprachrohr der kulturellen Missstände und als eine Plattform, um Frust abzuladen. Boasting (Prahlerei) und Dissing waren schon früh feste Bestandteile, besonders im Battle-rap. Kontrahenten wurden als  weiblich dargestellt, um ihnen ihre Männlichkeit abzusprechen. Nach der Bundeszentrale für politische Bildung ist das übermäßige Bedürfnis nach der Zurschaustellung der Männlichkeit die Wurzel der misogynen Sprache. Auch heute stammen viele Rapper aus Regionen mit erhöhter Kriminalität und Armutsrate. Oft mit keinem besonders hohen Ansehen von Frauen. Rap bietet ein Mittel, reale Vorbehalte über Frauen auszudrücken und im Rahmen der Kunstfreiheit zu legitimieren.

Der Stern stellte dem Rapper Fler in einem Interview die Frage, ob ein Musiker trotz gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Texten ein Vorbild für junge Menschen sein kann. Seine Reaktion darauf: „Wenn man meine Musik ändern will, dann ändere doch meine Welt, in der ich lebe.“. Er betont, wie er sich seinen Erfolg erarbeitet hat, trotz der „Probleme“ seiner Welt. 

„Klar gibt es Szenen, in denen Homophobie und Frauenfeindlichkeit sehr vertreten sind. Die Frage ist, ob man ein größeres Vorbild ist, wenn man dieses Gedankengut reproduziert oder nicht eher, wenn man sich davon frei macht und sich dort rausarbeitet.“, meint Esther vom queerfeministischen Frauenreferat des AStA an der Universität Trier. „Man kann sich auch als Mafia-Boss viel Geld und Ruhm erarbeiten und gilt deswegen nicht direkt als Vorbild.“

Für mich ist, wie auch für Esther, die biographische Geschichte kein Freifahrtschein für das Veröffentlichen von diskriminierendem Gedankengut. Ich bin der Meinung, dass sich in Bezug auf die Akzeptanz der frauenunterdrückenden Zeilen etwas ändern muss. Die große Frage für mich:

“Wie?”

Esther studiert Jura in Trier. Sie erzählt, dass für die Einschränkungen der Meinungs- und der Kunstfreiheit unterschiedliche Schranken gelten. Die Meinungsfreiheit wird aufgrund Ehr- oder Jugendschutz leichter eingeschränkt als die Kunstfreiheit, welche im Grundgesetz zunächst vorbehaltlos gewährleistet ist. Sie findet, dass im Deutschrap die Meinungsäußerung teilweise stärker im Vordergrund steht als die Musik als Kunstform. Demnach sollten nach ihr die Aspekte der Meinungsfreiheit mit einbezogen werden. Alben werden im Sinne des Jugendschutzes immer öfter zensiert, Esther fragt sich, ob es nicht auch eine ähnliche Möglichkeit zum Schutz vor Diskriminierung geben kann. 

Kunstfreiheit ist meiner Meinung nach ein hohes Gut, alle Texte verbieten ist für mich nicht die richtige Lösung. Esther und ich sind uns einig – nicht der Deutschrap ist das eigentliche Problem, sondern die Frauenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Rap ist nur eine Plattform, auf der dies deutlich wird. Umso wichtiger finde ich es, auch hier Veränderungen anzustreben. 

Ich wünsche mir eine höhere Sensibilität für misogyne Inhalte. Der Aufschrei bei frauenfeindlichen Zeilen sollte ebenso groß sein, wie er es immer häufiger bei antisemitischen oder rassistischen Texten ist. Diskriminierende Ausdrücke keiner Art sollte als „normal“ gelten und akzeptiert werden.

Für mich liegt die Verantwortung nicht allein bei den Künstlerinnen und Künstlern, jede Konsumentin und jeder Konsument sollte sich damit auseinandersetzen, wen und was er oder sie unterstützen möchte. Ich wünsche mir, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Bedeutungen der Texte gelegt wird. Wichtig ist eine Offenheit für die Menschen, die ein Umdenken in die Szene bringen wollen. Alligatoah, Kummer, Moop Mama, Sookee, Leila Akinyi– Rap geht auch ohne Diskriminierung.

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