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Frauen machen Frauen erfolgreich?

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Empowerment, Solidarität, Wachstum. Drei große Wörter, drei große Vorhaben. Unsere Autorin Lisa Steffny rezensiert einen Ratgeber, der vermeintlich genau diese Intention hat: Frauen, die sich gegenseitig bestärken.

Von Ratgebern kann man halten, was man möchte: Manche lieben sie, andere halten sie für ausgemachten Blödsinn. Unbestritten ist jedoch: Ratgeber boomen. Um das herauszufinden, braucht es nicht viel mehr als ein Blick auf die Bestsellerlisten oder einen Gang in die Buchhandlung des Vertrauens. Dabei ist es egal, ob es darum geht, sich endlich selbst zu lieben, gesünder zu leben oder zu lernen, warum zusammenpassende Unterwäsche einen (angeblich) selbstbewusster werden lässt. Die meisten Ratgeber sind dabei so platt wie ungefährlich. Mir mehrfach am Tag zu sagen: „Ich bin stark und ich kann das“, kann mir entweder helfen oder eben nicht. Wenn es mir nicht hilft, habe ich im schlimmsten Fall ein paar Minuten Lebenszeit verloren. Das kann ich gut verkraften. Gefährlich wird es aber dann, wenn Ratgeber den Leser*innen vorzumachen, sie rechnen mit Klischees ab und stehen für Werte wie Toleranz, Fortschritt und Emanzipation und dabei nichts anderes machen, als alte Strukturen zu bestärken. Ein Paradebeispiel für ein solches Buch: “Chefsachen Frauen II – Frauen machen Frauen erfolgreich.”

Vor kurzem fragte mich eine Bekannte, ob ich für ihr Magazin eine Buchrezension übernehmen könnte. In dem Buch kommen 16 Frauen, die allesamt Selbstständig sind oder Führungsposition innehaben, zu Wort und erzählen ihre Sicht auf das Leben als Frau* in einer solchen Position und geben anderen Frauen* Tipps und Tricks, wie auch sie dort bestehen können. Ein durchaus interessanter Ansatz, weil Frauen* nach wie vor oftmals zu selten eine Plattform bekommen, um für sich selbst einzustehen. Das ist jedoch auch schon das Beste an dem Buch. Denn was folgte, waren 293 Seiten, die mich mehr als nur einmal Schütteln ließen und das nicht nur aus feministischer Sicht.

Bereits in der Einleitung wurde recht schnell klar, in welche Richtung sich das Buch in den nächsten Kapiteln vermutlich entwickeln würde, denn stolz verkündete die Autorin:

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Frauen im Kommen sind, wenn es uns gelingt, gemeinsam an einem Seil zu ziehen. Und dieses Seil kann wahrhaftig stark, lang, mächtig und einflussreich werden. Wir haben viel zu bieten! Dafür loben uns (sogar) die männlichen Autoren des ersten Bandes ‘Chefsache Frauen – Männer machen Frauen erfolgreich’.“

Welch ein Glück, dass die männlichen Autoren uns das bescheinigen und die Autorinnen ihr Buch weiterschreiben konnten. Sonst wäre die Welt um eine ganze Reihe an Perlen von Ratschlägen ärmer. Kostprobe gefällig?

„Sie sind aber kein Mann, sondern, wenn überhaupt, eine Königin. Und im Übrigen: Männer helfen gerne! Wieso sollte eine Frau sich nicht ihren schweren Aktenkoffer tragen lassen? Das wird Ihrer Karriere weiß Gott nicht schaden. Ich finde es eher entwürdigend, wenn Sie neben einem starken Mann nebenherlaufen und sich mit einer schweren Akten-Tasche „abbuckeln“, da unterstreichen die High Heels auch nicht mehr Ihre Eleganz, ganz im Gegenteil!“

Welch Katastrophe das wäre! Denn High Heels sind von immenser Bedeutung auf dem Weg nach oben:

„Als attraktive Frau war ich es gewohnt, die Blicke der Männer anzuziehen. Normalerweise finde ich es abstoßend, auf Blicke reduziert zu werden, doch habe ich in diesem Moment gelernt, sie mir zunutze zu machen. Ich spielte mit meiner Weiblichkeit und merkte, wie einfach es war, einige dieser Herren um den Finger zu wickeln.“

Insgesamt wird der Begriff „Weiblichkeit“ in diesem Buch sehr gerne verwendet. Und sollten Frauen* stolz auf ihre „Weiblichkeit“ sein und sie nicht verstecken müssen? Definitiv! Wenn sich Frauen* (und übrigens auch Männer*, liebe Frau Schöneberger) gerne Schminken, High Heels tragen und viel Zeit in ihr Outfit investieren, ist das vollkommen legitim. Aber guess what liebe Autorinnen, es ist genauso in Ordnung, gerne die Haare zusammenzutragen, nicht ständig dauergrinsend durch die Gegend zu laufen und weite Anziehsachen zu mögen. Ob ihr es glaubt oder nicht, nicht jede Frau* tut das, um möglichst stark und / oder männlich zu wirken, sondern Gerüchten zufolge soll das dem Naturell der ein oder anderen Frau* einfach mehr entsprechen. Das macht diese Frauen aber nicht gleich zu „verhärteten Mannsbilder“.

Vielleicht wäre es an der Zeit, Begriffe wie „Frauenberufe“ oder „Frauenhobbies“ über den Haufen zu werfen. Auf der einen Seite werden verzweifelt mehr Menschen gesucht, die soziale Berufe ausüben, auf der anderen Seite werden diese fast als Schimpfwort benutzt und stehen für Versagen. Ob die Welt wirklich ein schlechter Ort wäre, wenn mehr Menschen Krankenpfleger*innen oder Erzieher*innen wären, denen das Wohl anderer Menschen wichtiger ist als Geld, und weniger Leute Manager*innen? Ich glaube nicht. Auch sind Nähen, Basteln und Kochen übrigens sehr, sehr praktische Hobbies, egal, ob für Männer* oder Frauen*. Wer auf die Idee kam, diese zu stereotypisieren und sowohl Frauen* als auch Männern* das Gefühl zu geben, sie brauchen „männlichere“ Hobbies, dem wünsche ich ein Leben voller trockener Muffins.

Generell werden Stereotypen sehr gerne bedient. Welches Beispiel könnte denn klar machen, dass eine Beziehung ein Geben und Nehmen ist? Ach ja, ich weiß ein Gutes! „Schatz, ich bringe gerne den Müll raus und gucke mit dir Pretty Woman, wenn du mit mir morgen zum Fußball gehst….Wenn dieser Mann dich am nächsten Tag fragt, ob du mit ihm zum Fußball gehst, wirst du, selbst als Fußballmuffel, ehrlich antworten: Gerne, Schatz.“ P.S. liebe Autor*innen: Vielleicht habt ihr es ja schon gehört, aber mittlerweile gibt es mehrere Beziehungsmodelle als Mann / Frau. Konkretisierungen wie diese „Wann fühle ich mich von meinem Partner, von Männern, geliebt?“ kann man machen, kann man aber auch einfach sein lassen.

Besonders, nennen wir es „interessant“, fand ich auch folgende Geschichte aus dem Buch:

„Ein Donnerstagmorgen. Ich parke vor dem Gebäude, öffne den Kofferraum, hole mein Schwert heraus, stecke es behutsam in die Gürtelscheide und gehe auf den Bürokomplex zu. Die ersten Mitarbeiter der benachbarten Firma kommen mir entgegen. Ich grüße freundlich. Die anderen sind im Gespräch, grüßen eher beiläufig und gehen an mir vorbei. Im Rücken spüre ich, wie sich einige umdrehen und verständnislos auf mein Schwert deuten. Im Treppenhaus muss ich mein Schwert etwas seitlicher halten, damit ich nicht anecke. Auf dem Weg ins Büro begegne ich verschiedenen Personen, die erst im zweiten Moment mein heutiges Accessoire bemerken. Grinsen, Kopfschütteln, mitunter erschrockene Gesichter. Im zweiten Stock angelangt, gehe ich durch mein Büro, einige meiner Mitarbeiter sind schon anwesend. Beim Morgengruß beobachte ich ihre Reaktionen: Ein freudiges „Oh!“ mit zielgerichtetem Blick auf mein Schwert, ist die gefühlt intensivste Emotionsbekundung. Auch die anderen, die sich nach und nach zu uns auf eine Tasse Kaffee an den Stehtisch gesellen, sind nicht sehr verwundert. So etwas seien sie von mir ja schon gewohnt, sagen sie. Doch die Herkunft, das Gewicht und die scharfe Klinge wecken das Interesse des Teams. Wir sprechen noch lange über die Symbolik des Schwerts. Dieses Zeichen von Macht ist in meinem Alltag angekommen. Macht ist eines von drei Grundbedürfnissen, die jeder Mensch hat.“

Ist noch jemand nach dem Lesen irritiert? Ja? Wer jetzt denkt, ok, die Geschichte ist ja aus dem Zusammenhang gerissen und das Schwert ist bestimmt nur eine Metapher und gar nicht real, den*die muss ich leider enttäuschen. Mit keiner Silbe wird aufgelöst, wie dieses Schwert gemeint wird. Stattdessen erzählt die Autorin noch ein bisschen weiter: Sie und ihr Schwert beim Friseur, beim Kundentermin, beim Abendessen mit den Kindern… Daraus ließe sich eine ganze Pixi-Buchreihe machen, wäre es nicht so verstörend. In einer Zeit von Terror und Amokläufen, was würdest du denken, wenn dein*e Chef*in mit einem scharfen Schwert zur Arbeit kommen würde? Starke*r Chefin? Oder vielleicht doch eher: Wie schnell kann die Polizei hier sein?  

Als ich dann irgendwann an dem Punkt ankam, an dem ich nur dachte: „Ok, vielleicht sollte wirklich nicht jede Person, die etwas in ihrem Leben erreicht hat, ein Buch schreiben und ihr Wissen teilen“, wurde ich wieder einmal eines Besseren belehrt, denn ich musste mir wieder mal eingestehen, dass ich mir einfach die falschen Fragen stelle:

„Wann schreiben Sie Ihr erstes Buch? Oder Ihr zweites und drittes? In vielen Branchen gehört eine Buchveröffentlichung längst zum Standard, um auf dem Markt sichtbar zu sein und das eigene Profil zu schärfen. Also schreiben Sie, veröffentlichen Sie und verknüpfen Sie Ihren Namen mit Ihren Themen. Wenn Ihnen das Schreiben schwerfällt oder Sie sich vor den Materialbergen scheuen, Unterstützung bei der Kapitelstrukturierung und Verlagssuche haben oder schlichtweg das Alltagsgeschäft fortführen möchten, während Ihr Buch entsteht, dann holen Sie sich einen Ghostwriter an Ihre Seite.“

Ich Dummie. Einen letzten Tipp hätte ich dann aber doch noch an den*die Ghostwriter*in: In einem Buch über die Stärke von Frauen* darf durchaus auch mal gegendert werden. Das macht nicht weniger stark, aber durchaus sympathischer 😉

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