Zwei Hände, ein Fremder und verdammt viel Wut

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*** Triggerwarnung: in diesem Text geht es um sexualisierte Gewalt***

In mir dieses Gemisch aus Fassungslosigkeit und Abgeklärtheit.
Ein emotionaler Tanz zwischen „Ich will ihm dafür ins Gesicht schlagen“ und
„So schlimm war es nun auch nicht“. Und dazwischen eine Stimme, die schreit:
Ich habe darauf verdammt nochmal kein Bock mehr!

Wie kann dieses sexistische Gedankengut noch derart präsent am Leben sein,
dass es mich immer wieder anglotzt, reduziert, begafft und sogar begrapscht?

Letzten Samstag nach einem gemütlichen Abend bei Freunden wurde ich von einem Fremden
sexuell belästigt. Es war dunkel und ich war alleine.
Er fragte mich mehrmals nach Sex, selbst nachdem ich erwähnte, dass ich einen Freund habe.
Aus „willst du nicht mit mir ins Hotel kommen und ein bisschen Spaß haben“ wurde lediglich ein
„von einem Seitensprung muss dein Freund ja nichts erfahren“. 
Er rückte mir auf die Pelle, sein Gesicht kam Meinem zu nah, Panik wuchs. 

Und dann zwei Hände an meinem Hintern, die fest zudrücken.
Zwei Hände, die probieren meinem „Nein“ keine Macht zu geben.
Zwei Hände, die mich herumfahren lassen, geschockt und beschämt.
Zwei Hände und ein Fremder, dem sie gehören, die mit einem gehässigen Grinsen
um eine Ecke verschwinden können, ohne dass ihr Handeln eine Folge hat.

Zurück bleibe ich, äußerlich unverändert, von außen betrachtet unversehrt, doch gefüllt mit einer unglaublich großen Wut und unglaublich vielen Fragen, so groß und so viele, dass ich fast platze. Weil diese Situation nur eine Große zwischen vielen Kleinen ist.

Wie kann dieser Mann annehmen, dass er das Recht hat mich nach Sex zu fragen und mir an den Hintern zu packen? Warum lebe ich in einer Gesellschaft, in der Mann das noch macht?
Warum zählt „Ich habe einen Freund“ mehr, als ein „Nein“ und warum fällt mir Ersteres leichter zu sagen?
Warum habe ich nicht direkt die Polizei gerufen? Wer oder was hat mich denken lassen, dass „es nicht genug ist“?
Warum muss ich mich rechtfertigen, wenn ich bei einem offensichtlich sexistischen Witz anmerke, dass ich diesen unangebracht finde? 
Warum fragen Menschen meinen Freund, ob er ein Problem damit hätte, wenn ich später mal mehr verdiene, als er?
Wieso hängt ein Werbeplakat von c-date in meiner Straße, in dem eine Frau sich im Bett räkelt und der Slogan lautet: „Ich trage ja auch nicht jeden Abend dieselben Schuhe“? 

Wenn ich darüber nachdenke, wie viel sexistischem Gedankengut ich schon begegnet bin, wie viele meiner Freundinnen mir Geschichten erzählen können über sexuelle Übergriffe, wieviel Werbung ich sehen muss in denen Frau= Sex bedeutet, wie oft ich als Frau auf die Attribute, die eine Frau haben soll, beschränkt werde, dann tobt alles in mir.

Letzten Freitag, drei Wochen nach dem Übergriff, war ich bei der Polizei und habe den Fremden angezeigt. Weil es ein „nicht genug“ nicht gibt und weil das Erschreckendste an der ganzen Sache ist, dass ich mich das überhaupt gefragt habe. 

Und auch wenn sie ihn wahrscheinlich nicht finden werden, haben der Fremde und seine Hände doch etwas hinterlassen – für das ich keineswegs dankbar bin – aber das in mir ein wichtiges, berechtigtes, starkes, gutes, zur Veränderung treibendes, viel zu lange leise gebliebenes Gefühl entfacht hat:
Wut.
Denn wir dürfen so verdammt wütend sein.

Wenn ihr Opfer von sexualisierter Gewalt werdet, dann zögert nicht und ruft direkt die 110.
Ein „nicht genug“ gibt es nicht, denn „sexualisierte Gewalt gegen erwachsene Frauen wird nicht nur in Form von Vergewaltigungen ausgeübt. Sie äußert sich auch durch sexuelle Belästigung, zum Beispiel in Form von: 

  • sexuellen Anspielungen, obszönen Worten oder Gesten 
  • aufdringlichen und unangenehmen Blicke 
  • Briefen oder elektronischen Nachrichten mit sexuellem Inhalt 
  • dem unerwünschten Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt 
  • sexualisierten Berührungen

Frauen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, können sich bei all ihren Fragen an das Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen” wenden. Das Hilfetelefon stellt auch den Kontakt zu Unterstützungseinrichtungen in der Nähe her. Verwandte, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte können sich ebenso beraten lassen.“


Quelle: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Hilfetelefon- Gewalt gegen Frauen, https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/sexualisierte-gewalt.html

photo credit: aestheticsofcrisis Fight Sexism (some more) via photopin (license)

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