Die Luft ist warm und verbraucht. Die Bässe dröhnen. Unmengen an Körpern bewegen sich im Takt der Musik auf der Tanzfläche. Ausgelassen wird getrunken, gesungen und getanzt. Es ist laut.
Ich bin in Namibia, wo ich nach meinem Abitur für zwei Monate in einem Kindergarten arbeite. An diesem Abend sind wir mit ein paar Leuten in einem der bekannteren Clubs in Windhoek, alle tanzen ausgelassen, haben Alkohol intus. Ich gehe zur Bar, bestelle ein Bier, bezahle, drehe mich um und will mich wieder auf den Weg machen zu meinen Leuten auf die Tanzfläche. In diesem Moment geht eine Frau an mir vorbei und greift mir in den Schritt. Und geht dann einfach weiter. Im ersten Moment bin ich vollkommen perplex und weiß gar nicht, was gerade passiert ist. Ich gehe leicht verwirrt zurück auf die Tanzfläche und beschäftige mich erstmal nicht weiter mit dem Vorfall. Was mir einige Wochen später erst auffällt: Ich wurde sexuell belästigt. Das war der erste Moment in meinem Leben, in dem ich einen Einblick bekam, was Frauen ständig erleben, wenn sie feiern gehen. Das erste, und bis jetzt einzige Mal, das ich aus meiner sonst so privilegierten Position des weißen Mannes entfernt wurde.
„Ja, wir haben ein Problem mit Sexismus und Gender und wir müssen es ändern, wir müssen es besser machen.“
Kann ich als weißer Mann deswegen nachvollziehen, wie Frauen auf der ganzen Welt, auch in Deutschland, alltäglich Sexismus erleben? Nein, kann ich nicht! Ich weiß auch nicht wie es ist ungefragt ein Bild von einem männlichen Genital zu erhalten. Also mich würde das nicht überzeugen. Die sexuelle Belästigung, die ich erfahren musste war, anders als bei Frauen, eine absolute Ausnahme und nichts Alltägliches. Sich selber einzugestehen, dass man als weißer Mann, der in Deutschland keinerlei Minderheit angehört, diese Erfahrungen also nicht nachvollziehen kann ist ein enorm wichtiger Schritt. Wenn mir von einer Freundin erzählt wird, dass sie als Medizinstudentin von Patienten und Ärzten gleichermaßen nicht ernst genommen wird und gefragt wird, ob sie schon ihre Krankenschwesterausbildung fertig hat, dann kann ich ihr Gefühl nicht verstehen.
Ich persönlich verstehe einen Feministen oder eine Feministin als eine Person, die sagt: „Ja, wir haben ein Problem mit Sexismus und Gender und wir müssen es ändern, wir müssen es besser machen“. Früher hätte ich mich an dieser Stelle vermutlich gefragt, na und was geht mich das als Mann an, ich merke davon ja nichts? Doch mir ist aufgefallen, dass es mich auch ganz direkt betreffen kann.
„Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint habe.”
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint habe. Ich hatte nie das Gefühl, das wäre angebracht. Männer haben nicht emotional zu sein. Die Helden in Filmen und Büchern aus meiner Kindheit haben das ja auch nicht gemacht. Ich kann mich nicht daran erinnern Batman weinen zu sehen.
Ich erinnere mich noch gut an Situationen in der Schule, wo es darum ging den Klassenraum wieder aufzuräumen nach einer Gruppenarbeit. An die lehrende Person, die dann fragte, ob zwei „starke Männer“ kurz die Tische in den Klassenraum tragen könnten. Als Mann habe ich immer der Starke und Furchtlose zu sein. Aber so bin ich nicht, ich habe Angst.
„Das bedeutet nicht, dass Männer anfangen sollten überall herumzuerzählen, dass sie Feministen sind, das bringt niemandem etwas.”
In den meisten Situationen und Systemen habe ich als Mann natürlich Vorteile, ich werde bevorzugt. Ich verdiene mehr als Frauen und habe zusätzlich auf dem Arbeitsmarkt bessere Jobchancen. Auf einer systematischen Ebene habe ich zwar Vorteile, aber auf einer ganz privaten Ebene kann das anders aussehen. Männer sollten meiner Meinung nach so oder so Feministen sein. Unabhängig davon sollten sie verstehen, dass es auch Männern zu Gute kommt, wenn Frauen gleichberechtigt sind. Das bedeutet nicht, dass Männer anfangen sollten überall herumzuerzählen, dass sie Feministen sind, das bringt niemandem etwas. Es geht darum, dass Männer verstehen müssen, dass sie sexistische Benachteiligung nicht verstehen können und dass wir Frauen zuhören und glauben müssen, wenn sie uns davon erzählen.
Vielleicht hätte auch ich dann keine sexuelle Belästigung erfahren, vielleicht hätte sich die Frau in Namibia dann damals Gedanken darüber gemacht, was das für mich bedeutet. Und vielleicht müssten sich dann auch Frauen keine Gedanken mehr machen, wenn sie sich für den kürzeren Rock entschieden haben.
Kleiner Buchtipp: „We should all be Feminists” Chimamanda Ngozi Adichie
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